Ganz allgemein interessieren uns die Ursachen und Auswirkungen von Variation im Verhalten. Wir untersuchen dazu vor allem Ameisen, bei denen Individuen sich massiv im Verhalten und als Folge dessen auch der Lebensdauer unterscheiden. Diese Arbeitsteilung erlaubt Individuen eine präzise Spezialisierung auf bestimmte Aufgaben, was die Effizienz der ganzen Kolonie steigert.

Variation in der Wahrnehmung und Verarbeitung von verhaltensrelevanten Duftstoffen

Kämpfende Arbeiterinnen von Camponotus-Ameisen

Um zwischen Freunden (Nestgefährten) und Feinden zu unterscheiden, bedienen Ameisen sich der Duftstoffe auf der Oberfläche der Individuen. In früheren Studien fanden wir heraus, dass es beträchtliche Variation im Verhalten zwischen Ameisen gibt, was die Verteidigung des Nestes gegen Feinde angeht (Larsen et al., 2014, 2016; Nehring et al., 2012). Diese Variation wird erklärt durch Unterschiede sowohl in der Wahrnehmung von Düften, als auch in den Entscheidungsregeln (soll ich Feinde angreifen oder ist mir das zu gefährlich?). Derzeit untersuchen wir den Einfluss vorheriger Erfahrungen auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von Duftstoffen. Heutige Begegnungen mit Feinden oder Freunden können das Verhalten während zukünftiger Begegnungen beeinflussen, weil Individuen z.B. wachsamer sind oder Feinde besser zu erkennen lernen. Wir untersuchen die Neurophysiologie chemischer Wahrnehmung, die molekularen Effekte von Erfahrungen, und die Auswirkung von auf das Verhalten. Dazu manipulieren wir die Erfahrung einzelner Individuen, bedienen uns aber auch der natürlich vorkommenden Variation, zum Beispiel zwischen verschieden alten Ameisen. Das Projekt wird von der DFG unterstützt.


Altern bei Ameisen

Die meisten Lebewesen gehen einen Kompromiss zwischen Fortpflanzung und Langlebigkeit ein: Wer viele Nachkommen produziert stirbt dafür früher. Bei sozialen Insekten ist dieser Kompromiss aufgehoben: Königinnen legen viele Eier und leben in vielen Fällen über zehn Jahre lang, während Arbeiterinnen sich üblicherweise nicht fortpflanzen und trotzdem nur wenige Monate überleben. Diese Besonderheit kann uns helfen, die Modulation von Alterung an sich zu verstehen. Bisherige Studien konnten keine allgemeingültigen Regulatoren von Altern bei sozialen Insekten finden – vielleicht, weil unkontrollierte ökologische Variation eine Identifikation der verantwortlichen Mechanismen verhinderte.

Acromyrmex workers

Wir wollen dieses Problem lösen, indem wir Altern bei Ameisen vergleichend untersuchen und für ökologische und phylogenetische Einflüsse kontrollieren. Wir interessieren uns besonders dafür, in wie weit die Möglichkeit von Arbeiterinnen, sich fortzupflanzen, die Lebenserwartung von Königinnen beeinflusst. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt mit Susanne Foitzik und Romain Libbrecht aus Mainz, im Rahmen der Forschergruppe FOR2281 (“Sociality and the reversal of the fecundity/longevity trade-off”), gefördert von der DFG.

  • Majoe, M., Liebbrecht, R., Foitzik, S., Nehring, V. (2021) Queen loss increases worker survival in leaf-cutting ants under paraquat-induced oxidative stress. Philos. Trans. Roy. Soc. B. doi: 10.1098/rstb.2019.0735
  • Kramer B., Nehring V., Buttstedt A., Heinze J., Korb J., Libbrecht R., Meusemann K., Paxton R.J., Séguret A., Schaub F., Bernadou A. (2021) Oxidative stress and senescence in social insects – a significant but inconsistent link? Philos. Trans. Roy. Soc. B.. doi: 10.1098/rstb.2019.0732
  • de Verges, J., Nehring, V. (2016): A critical look at proximate causes of social insect senescence: damage accumulation or hyperfunction? Curr. Opin. Insect Sci. 16: 69–75. doi:10.1016/j.cois.2016.05.003 (free pdf)

Lokale Anpassung bei phoretischen Milben

Poecilochirus mites on a Nicrophorus burying beetle

Organismen passen sich an ihre Lebensräume an. Sollten die Umweltbedingungen für verschiedene Populationen einer Art dabei variieren, werden die Populationen unterschiedlichen Selektionsdrücken ausgesetzt und können sich lokal anpassen. Diese Effekte können bei symbiotischen Organismen besonders stark ausgeprägt sein, weil diese sich zusätzlich noch lokal an ihre Symbionten anpassen.

In unserem Projekt untersuchen wir lokale Anpassungen der Milbe Poecilochirus carabi, welche in Symbiose mit Totengräberkäfern der Gattung Nicrophorus lebt. Wir wollen dokumentieren, wie stark und in welchen Faktoren Populationen der Milben sich unterscheiden, und in wie fern die Merkmale der Populationen an Umweltbedingungen bzw. die Symbionten angepasst sind. Wir interessieren uns dabei besonders für die Entwicklungsgeschwindigkeit der Milben und wie sie Ihre potentiellen Wirte anhand deren Düften unterscheiden können. Das Projekt wird vom Innovationsfonds der Universität Freiburg und der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

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  • Schedwill, P., Paschkewitz, S., Teubner, H., Steinmetz, N., Nehring, V. (2020) From the host’s point of view: Effects of variation in burying beetle brood care and brood size on the interaction with parasitic mites. Plos ONE 15(1): e0228047. doi 10.1371/journal.pone.0228047
  • Nehring, V., Teubner, H., König, S. (2019) Dose-independent virulence in phoretic mites that parasitize burying beetles. Int. J. Parasitol. 49:759-767. doi: 10.1016/j.ijpara.2019.05.011
  • Schedwill, P., Geiler, A.M., Nehring, V. (2018): Rapid adaptation in phoretic mite development time.  Sci. Rep. 16460.
  • Nehring, V., Müller, J.K., Steinmetz, N. (2017) Phoretic Poecilochirus mites specialise on their burying beetle hosts. Ecol. Evol. 7:10743–10751. doi: 10.1002/ece3.3591

Erkennung bei Blattschneiderameisen

Aggressive wingless Acromyrmex queen

Kommunikation ist ein wichtiges Mittel zur Koordination in Gruppen und Gesellschaften. Das ist nicht nur bei Menschen so, sondern auch bei sozialen Insekten: Bienen, Wespen, Ameisen und Termiten.

Wir untersuchen die Kommunikation bei einer der auffälligsten Artengruppen der Neotropen: den Blattschneiderameisen. Kolonien dieser Arten können Millionen von Arbeitern umfassen, die in komplizierter aber fein abgestimmter Arbeitsteilung einen Pilz züchten, von dem sie sich ernähren. Unser besonderes Augenmerk gilt dem Erkennen von Eindringlingen zur Verteidigung des Nestes, und wie manche Eindringlinge, spezialisierte Sozialparasiten der Art Acromyrmex insinuator, die Erkennungssysteme ihrer Wirte (Acromyrmex echinatior) umgehen können. Für unsere Forschung führen wir viele Verhaltensexperimente durch, oft gekoppelt mit genetischen und chemischen Analysen. Unsere Projekte werden vom Deutschen Akademischen Austauschdienst und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

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  • Nehring, V., Dani, F.R., Turillazzi, S., Bohn, H., Klass, K.-D.,  d’Ettorre, P. (2016): Chemical disguise of myrmecophilous cockroaches and its implications for understanding nestmate recognition mechanisms in leaf-cutting ants BMC Ecol. 16: 35. doi: 10.1186/s12898-016-0089-5
  • Nehring, V., Dani, F.R., Turillazzi, S.; Boomsma, J.J., d’Ettorre, P. (2015): Integration strategies of a leaf-cutting ant social parasite. Anim. Behav. 108: 55-65. doi:10.1016/j.anbehav.2015.07.009
  • Larsen, J., Fouks, B., Bos, N., d’Ettorre, P., Nehring, V. (2014):  Variation in nestmate recognition ability among polymorphic leaf-cutting ant workers. J. Insect Physiol. 70, 59–66. doi:10.1016/j.jinsphys.2014.09.002
  • Nehring, V., Boomsma, J.J. & d’Ettorre, P. (2012): Wingless virgin queens assume helper roles in Acromyrmex leaf-cutting ants. Curr. Biol. 22: R671-R673. doi:10.1016/j.cub.2012.06.038 (press release)
  • Nehring, V., Evison, S.E.F, Santorelli, L.A., d’Ettorre, P. & Hughes, W.O.H. (2011): Kin-informative recognition cues in ants. Proc. R. Soc. Lond. B 278: 1942-1948. doi: 10.1098/rspb.2010.2295 (pdf | press release)
  • Fouks, B., d’Ettorre, P. & Nehring, V. (2011): Brood adoption in the leaf-cutting ant Acromyrmex echinatior : Adaptation or recognition noise? Insect. Soc. 58: 479-485. doi: 10.1007/s00040-011-0167-9. (pdf)